Haushaltsrede von Ruth im Kreistag 10.12.2025

Haushaltsrede 2026

Ruth Cremer-Ricken, 10.12.2025

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

Der uns vorliegende Haushalt ist geprägt von Kompromissen.

Für den Gebäudeunterhalt wurden 4,1 Mio. € als notwendig erachtet, im Plan stehen jetzt nur 2,8 Mio. €. Im Klartext heißt dies, 1,3 Mio. € werden als Sanierungsstau in die Zukunft verschoben.

Die Kostenentwicklung im Sozialbereich ist dramatisch. Allein die Kosten beim Bundesteilhabegesetz (BTHG) stiegen in 5 Jahren um runde 57 %, in Zahlen 20,3 Mio. €. Das Sozialamt (ohne Flüchtlingsbereich) und das Jugendamt benötigen einen weiteren Zuschussbedarf von 3,6 Mio. €.

Bei der Finanzierung des Klinikums hilft eine voraussichtliche Finanzzulage aus dem Sondervermögen des Bundes, weshalb die Verwaltung wagt, den erwartbaren Verlustausgleich um 1,5 Mio. € auf 8 Mio. € im Plan zu kürzen. Seit heute wissen wir, dass der Verlustausgleich auf 10 Mio. € erhöht werden muss, da der Verlustausgleich für diesen Haushalt nicht eingerechnet werden darf.

Und dies passiert mit dem Wissen, dass in der Bundesregierung angedacht ist, bei den Krankenhäusern zu sparen, damit die Kassenbeiträge für die GKV-Versicherten Menschen nicht erhöht werden müssen. Mit diesem Ansatz erhöhen wir den Druck im Pflichtenheft von Herrn Schlaudt und dem Aufsichtsrat Klinikum Hochrhein.

Zum Auffangen des Defizits sieht der Haushaltsentwurf wieder einmal den geringeren Einsatz für die Hochrheinelektrifizierung und des Radverkehrs vor. Dabei bilden gute Radwege für die Nutzung eines nachhaltigen, gesundheitsförderndes und für jeden finanzierbares Verkehrsmittel die Voraussetzung. Die Rechnungen für die Hochrheinelektrifizierung werden kommen, spätestens 2027 wenn die Bahn fährt.

Der Schuldenstand weist schon jetzt einen Rekordwert von rund 38,5 Mio. € aus, eine Steigerung von 87% in nur 6 Jahren, was aber durch die mittelfristige Finanzplanung nochmal weiter getoppt wird.

Hohe Lasten schieben wir auch bei den nötigen Erhaltungsaufwendungen der Straßen vor uns her, die inzwischen auf rund 50 Mio. € angewachsen sind. Bei den Brücken sieht es zum Glück besser aus. Was die Erhaltungsaufwendungen bei den Gebäuden betrifft, sind für die kommenden Jahren schon Kosten von ca. 19 Mio. € bekannt plus Ersatzneubau für das Verwaltungsgebäude Gartenstraße und das Jobcenter von ca. 14 Mio. €. Wir wissen jedoch mit hoher Sicherheit: die Kostenentwicklung kennt nur eine Richtung, nämlich nach oben.

Angesichts dieser Entwicklung können wir Alten uns freuen. Wir werden nicht mehr die ganzen Schulden schultern müssen, die vom Bund, dem Land und den Kreis bis in die Kommunen aufgenommen wurden bzw. noch werden. Wir werden sie vererben!

Den Rucksack unserer Kinder und Enkel packen wir damit tüchtig voll.

Leider gibt es für die keine guten Erzählungen.

  • Wir haben die zweithöchste Staatsverschuldung seit Beginn der Bundesrepublik
  • Die Infrastruktur zeigen einen großen Erhaltungsaufwand auf, um weiter nutzbar zu bleiben.
  • Die Jungen zahlen höhere Renten- und Pflegekostenbeiträge als wir, werden aber weniger als wir bekommen
  • Krankenkassenbeiträge steigen, die Leistungen aber nicht.
  • Es wird die Arbeit bis 70 propagiert, für uns lässt man die Rente mit 63 bestehen.
  • Verteidigungs- oder Freiwilligkeitsdienste in geopolitisch unsicher werdenden Zeiten werden eingefordert, wir haben unbeschwertere Zeiten erlebt
  • Klimaveränderungen werden zusätzliche Kosten nach sich ziehen, wovor die Versicherungsbranche schon lange warnt.

Sehr geehrter Herr Landrat, Sie haben zur Haushaltseinbringung in Ihrer Rede über Demokratie gesprochen.

Demokratie kann aber nur dann gut funktionieren, wenn alle Altersgruppen entsprechend berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass alle Generationen die Last tragen und nicht die Last, die man heute nicht tragen will auf die jüngeren verschoben wird. Ja, wir Älteren stellen inzwischen die bedeutende Masse der Bevölkerung und damit des Wählerpotentials. In unserem Stadtbild fehlen zunehmend die jüngeren Mitbürger. Daher macht es das uns so leicht, die Kosten unseres Handels in die Zukunft zu verschieben.

Haben wir den Mut, auch unbequeme Wege zu gehen!

In unserer letztjährigen Haushaltsrede haben wir einen Vorschlag gemacht, wie wichtige Kreisstraßen mit mehreren Millionen saniert werden könnten, würde man auf die Wiederinbetriebnahme der Albtalstraße verzichten. Wobei der Verlust bei dem motorisierten Verkehr gelegen hätte, jedoch die nichtmotorisierten Erholungs- und Freizeitnutzung gewonnen hätte.

Bedauerlicherweise hat sich niemand von diesem Gremium oder der Verwaltung ernsthaft mit diesem Vorschlag auseinander gesetzt. Er wurde schlichtweg ignoriert bzw. zu Wahlkampfzwecken missbraucht. Gute Demokratie erfordert einen anderen Umgang.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und Verwaltungsmitarbeitende, mit drei Aussagen kann man alles verhindern. Diese sind:

„Das haben wir ja noch nie  so gemacht“

„Da könnte ja jeder kommen“ und

„Das war schon immer so“

Wir aber sind heute gefordert, diese Wege nicht zu gehen. Wir werden Einschnitte machen müssen! Aber uns fehlt in der Mehrheit der Mut.

Benehmen wir uns nicht wie der kleine Häwelmann aus dem Märchen von Theodor Storm, der immer nur ruft „mehr, mehr“ und am Ende ins Meer fällt. Und dann, wie geht es weiter?

Diese Geschichte weiter zu erzählen ist nicht nur die indirekte Aufforderung des Märchens. Auch wir müssen für unseren Kreis, unseren Haushalt, eine Perspektive entwickeln wie es ohne den ständigen Ruf nach „mehr, mehr“ zu einer resilienten Entwicklung kommen kann. Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen und offensiv vertreten. Dies müssen wir tun, auch wenn andere populistische Erzählungen das Blaue vom Himmel versprechen, dabei aber die Frage nach der Resilienz und Bezahlbarkeit außen vor lassen.

Unerwähnt lassen möchte ich aber nicht, Herr Landrat, ihren und der von Herrn Probst unermüdlichen Einsatz für die Hochrheinelektrifizierung. Hoffen wir, dass wir nicht nur am Hochrhein zuverlässig hin und her fahren können, denn die Anschlüsse, besonders in Basel badischer Bahnhof klappen oft nicht.

Positiv hervorheben möchte ich den ständigen Einsatz für die Fachhochschule des Mittelstandes.

Und ebenfalls erwähnen möchte ich Ihr Bemühen zum Krankenhausneubau. Hoffen wir, dass nicht zu viele unvorhersehbare Ereignisse auftreten werden.

Der uns heute zur Verabschiedung vorliegende Haushalt wurde unter der Maßgabe erstellt, die Kreisumlage bei einem Hebesatz von 34,5 zu belassen. Mit dem Wissen, dass auch die Gemeinden unter ihren zu erfüllenden Aufgaben ächzen, wurde ein in sich stimmiger Haushaltsentwurf erstellt. Einer Resilienzprüfung wurde er nicht unterzogen.

Wir, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, stimmen dem vorliegenden Haushalt und den Wirtschaftsplänen zu.

Der Verwaltung und Ihnen, Herr Landrat Dr. Kistler, danken wir für den großen und fordernden Einsatz auch in diesem Jahr. Herrn Hajden und Herrn Appelhans sagen wir Dank für die gut vorbereiteten Haushaltsberatungen.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Landratsamt danken wir für die geleistete Arbeit.

Allen wünschen wir frohe und entspannte Festtage und hoffen auf ein gesundes Wiedersehen im neuen Jahr.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Häwelmann (Niederdeutsch) = Hätschelkind