Ruth Cremer-Ricken, 07.12.2022 – Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
wie die Zukunft aussehen wird, hängt entscheidend ab vom Umgang mit der Klimakrise und dem Stemmen gegen den Artenschwund und dem Verlust von Biodiversität. Während der massive Artenschwund und der Verlust von Biodiversität sehr oft verdrängt wird, wird die Gefahr durch die Erderwärmung mit steigenden Extremwetterlagen inzwischen in weiten Kreisen gesehen. Es gibt keinen Weg vorbei an den Erneuerbaren Energien.
Viel zu lange wurde dies als Luxus betrachtet. So fallen uns jetzt 16 Jahre falsche Energiepolitik auf die Füße. Der durchverhandelte Atomausstieg wurde durch die CDU/CSU/FDP-Koalition 2009 rückgängig gemacht. Nach dem Atomunfall Fukushima 2011 gab es einen erneuten Ausstieg auf Antrag von Bundeskanzlerin Merkel, der mit großer Mehrheit im Bundestag verabschiedet wurde. Die hohen Kosten für diesen abrupten Ausstieg nach Klagen der AKW-Betreiber zahlte der Steuerzahler.
Weitere Fehlentscheidungen bei der Energiepolitik folgten:
- 2012 Eindampfen der Solarförderung durch Umweltminister Altmaier (Altmaierknick)
- 2014 Fortführung der Solarbeschränkung durch Wirtschaftsminister Gabriel (Gabriel Senke)
Das Ergebnis war das Verschwinden der Solarfabriken in Deutschland und somit der Verlust der Markführerschaft. Heute kommen die meisten Module aus China.
Das gleiche geschah bei der Windkraft 2018/2019 mit der Abstandsregelung auf Land durch Wirtschaftsminister Altmaier (Altmaierabbruch). Auch hier wie bei der Solarenergie, Verlust von tausenden Arbeitsplätzen, großem know how und Schließungen von Firmen.
So wurden zwei wichtige zukunftsweisende Wirtschaftszweig systematisch kaputt gemacht.
Dafür setzte man einseitig auf billiges russisches Gas im blinden Vertrauen auf ständige Lieferbereitschaft.
Den wirtschaftlichen Schaden spüren wir heute überall, auch in unseren kommunalen Haushalten.
Und wieder haben Teile der Bundespolitik nichts gelernt. So brachte jüngst die CDU/CSU-Fraktion einen Gesetzentwurf zum weiteren Betrieb der Atomkraftwerke ein. Wohlbemerkt mit einer Laufzeitverlängerung bis zumindest 31.12.2024 und forderten gleichzeitig die weitere Ausnahme der periodischen Sicherheitsüberprüfungen – wohlwissend, dass hierauf bereits in Hinblick des anvisierten Ausstiegsdatums zum Ende dieses Jahres verzichtet wurde. Dies war die Vorbereitung für den Wiedereinstieg in die Atomkraftnutzung, sollte die CDU/CSU-Fraktion 2024 nach der Bundestagswahl wieder Regierungsverantwortung bekommen.
Um der Klimakrise zu begegnen braucht es nicht nur eine starke Umkehr bei der Energiepolitik, sondern auch eine Änderung der Mobilität, eine Mobilitätswende. 60% des CO2-Ausstoßes im gesamten Verkehr erfolgen allein durch die PKWs. Die Klimawende kann also nur mit einer Verkehrswende gelingen. Daher müssen auch wir im Landkreis Waldshut uns sehr anstrengen, um mehr Mobilität über den ÖPNV zu organisieren. Die Hochrheinelektrifizierung und die Bemühungen zur Reaktivierung der Wutach- und der Wehratalbahn gehen in die richtige Richtung. Es fehlt noch die entsprechende Anstrengung in der Fläche.
Herr Landrat, in Ihrem Grußwort auf der Jahreshauptversammlung des Kreisseniorenrates machten Sie deutlich, dass es im Landkreis 36.600 Bewohner über 65 Jahre gibt, davon 11.500 über 80. Um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können ist auch das Mobilitätsangebot ohne Auto mit entscheidend. Wenn man nicht mehr fahren kann oder will ist dies ein Schlüssel zur Teilhabe. Nicht wenige ältere Menschen geben heute ihre Wohnungen oder Häuser in den Ortschaften auf um ins Tal zu ziehen. Es geht also bei einem guten Mobilitätsangebot nicht nur um Schülerverkehre, sondern um ein Angebot quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Der Fachkräfte- und Personalmangel werden in der Wirtschaft wie auch in den Verwaltungen beklagt. Das wird sich in absehbarer Zeit kaum ändern lassen, aber wir müssen alles tun, damit die Menschen gerne zu uns kommen.
Im Jahr 2002 wurde der Abschlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Demographischer Wandel“ veröffentlicht. Es wurde deutlich auf die Fehlentwicklung der Bevölkerungsverteilung hingewiesen. Allein um den Bevölkerungsstand zu halten bedürfe es einer Zuwanderung von über 400.000 Personen pro Jahr. Diese Botschaft ist von Anfang an ignoriert worden, ein modernes Einwanderungsgesetz fehlt bis heute.
In ein paar Jahren hat die Bevölkerungspyramide auch in unserem Landkreis endgültig die Urnenform erreicht.
Lasst uns also Menschen, die mit uns Leben und Arbeiten wollen, mit offenen Armen empfangen und bieten wir ihnen eine faire Teilhabe an, nicht nur mit Pflichten sondern auch mit Rechten. Ein modernes Einwanderungsgesetz ist nötiger denn je!
Nur wenn dies gelingt werden wir weiterhin erfolgreich sein.
Ich möchte jedoch nicht verpassen, der Sandwichgeneration zu danken, die gerade in den sehr schwierigen letzten drei Jahren die große Last getragen hat. Oft in Sorge um Eltern und Großeltern, mit kleinen Kindern auf dem Schoß und/oder Lernbegleiter für Schulkinder, hat diese Generation leistungsfähig dennoch den beruflichen Anforderungen entsprochen. Sie haben uns gut durch die Jahre der Pandemie getragen. Ihnen begegnen wir mit großer Dankbarkeit.
Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität und Artenvielfalt sind die ganz großen Zukunftsaufgaben. Wir können es uns nicht mehr leisten diese wichtigen Themen zurückzustellen und als ungelöste Probleme an die nächste Generation weiter zu geben. Die Wichtigkeit zum Klimaschutz ist inzwischen unstrittig, die Notwendigkeit zum Erhalt der Biodiversität und Artenschutz wird aber weitgehend ignoriert.
Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Kistler, noch nicht mal diese Begriffe haben Platz in Ihrer Haushaltsrede gefunden. Artenschwund und Verlust an Biodiversität findet nicht nur im Amazonasgebiet oder anderen fernen Ländern statt, sondern auch bei uns in unserem Landkreis. Man kann nicht immer nur nehmen ohne entsprechend auch wieder zu geben und Freiräume zu schaffen. Geben Sie dem mehr Gewicht und Aufmerksamkeit!
Wir haben in diesem Jahr erfreulicher Weise Fachkompetenz hinzugewonnen. Lassen Sie diese wirksam werden!
Den Haushaltsentwurf haben wir in verschiedenen Arbeitsgruppen beraten. Dank der unerwarteten Erhöhung der Kopferumlage kann der Kreisumlagehebesatz erfreulicher Weise von ursprünglich 31,90 auf 31,45 gesenkt werden.
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem vorliegenden Haushalt und den Wirtschaftsplänen zu. Gleichzeitig gilt unser Versprechen weiterhin, dem Klimaschutz und dem Schutz der Ökosysteme eine Stimme in diesem Gremium zu geben. Wir wollen nicht die Verantwortung auf die Generation unserer Kinder verschieben, denn sie tragen die Hauptlast der unsicheren gewordenen Welt.
Der Verwaltung und Ihnen, Herr Landrat Dr. Kistler, danken wir für den großen und fordernden Einsatz auch in diesem Jahr. Herrn Hajden und Herrn Appelhans sagen wir Dank für die gut vorbereiteten Haushaltsberatungen.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Landratsamt danken wir für die geleistete Arbeit.
Allen wünschen wir frohe und entspannte Festtage und hoffen auf ein gesundes Wiedersehen im neuen Jahr.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!